
Infostand von eco-bau an der Swissbau18, hier betreut vom Vizepräsidenten, Beat Wüthrich
Innenraumklima – was Planer und Betreiber voneinander lernen können
Um das Innenraumklima ging es bei der Focus-Veranstaltung, die eco-bau zusammen mit SGNI organisiert hat. Dabei wurden die Abweichungen zwischen geplantem und im Betrieb real vorhandenem Innenraumklima unter die Lupe genommen. Dieser sogenannte Indoor Performance Gap wurde in verschiedenen Studien immer wieder festgestellt.

Geschäftsführerin Barbara Sintzel im Gespräch mit Andreas Baumgartner, Technischer Sekretär NNBS
Barbara Sintzel, Geschäftsführerin von eco-bau, begrüsste die Referenten und eröffnete die Veranstaltung. Danach beleuchteten Lukas Windlinger, Professor am Institut Facility Management der ZHAW und Sebastian El Khouli, Mitglied der Geschäftsleitung bei BGP Bob Gysin + Partner Architekten, Zürich, das Thema jeweils aus ihrer eigenen Sicht. Über allem stand die Frage, was Betreiber und Planer voneinander lernen können.
Vorauszuschicken ist, dass beide Referenten unter Innenraumklima viel mehr als nur Temperatur, Feuchte und Schadstoffgehalt der Luft verstehen. Bei ihnen gehören auch Tageslichtversorgung, Lärm, Oberflächenbeschaffenheit, Farben und weiteres dazu, also alles, was das Wohlbefinden der Nutzer beeinflussen kann.
Lukas Windlinger präsentierte Resultate aus Studien seines Instituts. Sie hatten zum Ziel, die Zufriedenheit von Arbeitnehmenden mit ihrem Arbeitsplatz und den Einfluss des Raumklimas darauf zu ergründen. Wie sich zeigte, lässt sich der Einfluss des Innenraumklimas auf die Zufriedenheit von Mitarbeitenden aber kaum über objektive Messwerte fassen. Zudem ist das Innenraumklima nur ein Faktor unter vielen, wenn es um die Zufriedenheit am Arbeitsplatz geht.

Lukas Windlinger von der ZHAW bei seinem Referat
Nutzer schon bei der Planung einbeziehen
Komfort an Arbeitsplätzen wird sehr subjektiv bewertet. Das heisst: Ein gutes Innenraumklima lässt sich mit den heute vorhandenen Normen und Standards nur bis zu einem gewissen Grad planen. Wie es von den Nutzenden wirklich empfunden wird, zeigt erst der Betrieb. Als wichtige Faktoren konnten Privatheit/Akustik, Temperatur, Licht, Aussenbezug und Ästhetik identifiziert werden. Anhand der Studienresultate leitete Lukas Windlinger folgende Empfehlungen zuhanden von Bauherren und Gebäudebetreibern ab:
- Standardisierte Qualitätssicherungsinstrumente wie Zertifizierungen und Normen zur Innenraumqualität sind zwar wichtig. Mindestens ebenso wichtig wäre es aber, die Bedürfnisse der Nutzer schon bei der Planung abzuklären und mit einzubeziehen.
- Nur die Systemsicht auf das Gebäude erlaubt ein realitätsnahes Verständnis und ermöglicht effektive Massnahmen beim Innenraumklima (ganzheitliche Analyse und Gestaltung)
- Eine gute Grundlage für komfortable, gesunde und leistungsfördernde Bürogebäude bietet eine nutzerorientierte Bedarfsanalyse. Das darauf basierende Bürokonzept sollte im Betrieb kontinuierlich evaluiert und optimiert werden.
Sebastian El Khouli erläuterte an realisierten Projekten, wie er als Architekt versucht, die Voraussetzungen für ein gutes Innenraumklima zu schaffen. Dabei deckte er viele Aspekte ab, die auch seinem Vorredner wichtig sind. Es geht also um eine gute Tageslichtversorgung, um thermisches Wohlbefinden, den Bezug zur Aussenwelt und die Raumkonzepte. Relevant sind auch Materialien, ihre Oberflächen und Farben.
Für all diese Aspekte zeigt er kreative und innovative Lösungen. So lassen klug platzierte Fenster die richtige Menge Tageslicht ins Gebäude, ohne dass sich der Innenraum im Sommer zu stark erwärmt. Ein gut gelöstes Atrium versorgt das Gebäude nicht nur mit Licht und Luft, sondern ermöglicht auch die passive Kühlung in der Nacht. Dabei helfen automatische Lüftungsflügel und ein gut aktivierbarer Betonkern.

Sebastian El Khouli bei seinem Referat
Gebäude als Gesamtsystem betrachten
Einen wesentlichen, aber auf den ersten Blick nicht ersichtlichen Beitrag zu einem guten Innenraumklima können flexible Gebäudestrukturen schaffen. Sie erlauben es nämlich zu reagieren, wenn sich im Alltag zeigt, dass die Nutzer sich anders verhalten als geplant. Auch die künstliche Beleuchtung bietet Raum für Verbesserungen beim Innenraumklima. Wenn sie gegen Abend Licht mit höherem Rotanteil liefert, unterstützt sie den biologischen Schlaf-Wach-Rhythmus der Nutzenden - die LED-Technik macht‘s möglich. Besonders nützlich sind solche Lichtszenarien etwa in Alters- und Pflegeheimen.
Auch El Khouli plädierte dafür, das Gebäude als Gesamtsystem zu betrachten, mit vielen Wechselwirkungen, Widersprüchen und Synergien. Die Aufgabe der Architekten sei es, sie so zu beherrschen, dass das Gebäude im Betrieb auch genügend Freiheiten für Optimierungen bietet.
Die Referenten waren sich einig, dass sich Investitionen für ein gutes Innenraumklima auf jeden Fall lohnen. Betriebswirtschaftlich gesehen machen Planung und Bau über den ganzen Lebenszyklus gesehen nur einen kleinen Teil der Kosten eines Gebäudes aus. In diesem Zusammenhang wies Sebastian El Khouli auch darauf hin, dass das Bauen mit gesundheitlich guten Materialien nicht teurer sein muss als mit Standardmaterialien.
Die Präsentationen:
Architektur für ein gesundes Innenraumklima
Sebastian El Khouli, Mitglied der Geschäftsleitung bei BGP Bob Gysin + Partner Architekten, Zürich
Subjektive und objektive Innenraum-Qualitäten
Lukas Windlinger Inversini, Professor an der ZHAW im Institut Facility Management

Podium
Kann die Digitalisierung die Nachhaltigkeit fördern?
Um die Frage, ob Digitalisierung die Nachhaltigkeit des Bauens fördern kann, ging es beim Podiumsgespräch, das eco-bau zusammen mit dem CRB und dem NNBS im Rahmen des Swissbau Focus organisiert hat. Es diskutierten: Michel Bohren, Direktor CRB, Dimitrios Gyalistras, Synergy BTC AG, Jürgen Schade, Porr Suisse AG, Frank Thesseling, Hochschule Luzern. Für den krankheitshalber verhinderten Werner Binotto vom Hochbauamt St. Gallen sprang als Vertreterin der öffentlichen Bauherren Friederike Pfromm, Präsidentin von eco-bau, ein. Moderiert hat Marianne Stähler von der Geschäftsstelle eco-bau.
Schon die Kurz-Statements zu Beginn machten die Standpunkte mehr oder weniger klar. Während die Vertreter von CRB, Porr und der Hochschule Luzern vor allem die Chancen der Digitalisierung betonten, mahnten Friederike Pfromm und Dimitrios Gyalistras auch die Risiken an. Jürgen Schade formulierte es so: „Die Digitalisierung lässt sich nicht aufhalten, also ist es besser, von Anfang an vorne dabei zu sein statt später hinterher zu rennen“. Interessant sei vor allem die Aussicht, schneller und besser bauen zu können. Frank Thesseling erwartet, dass die Digitalisierung die Planenden von der steigenden Komplexität des Bauens entlasten könne und ihnen so mehr Freiraum für die Suche nach zukunftsfähigen Lösungen schenkt.
Friederike Pfromm gab zu bedenken, dass die öffentlichen Bauherren der Digitalisierung eher skeptisch begegnen, wenn sie zu hochtechnischen Gebäuden führt. Die seien erfahrungsgemäss oft teurer im Betrieb als alte, „analoge“. Wenn die Digitalisierung zudem über die Bauphase hinausgehe, stelle sich rasch die Frage, was mit den Daten passiere, die beim Betrieb anfallen. Weil sie meist Rückschlüsse auf das Verhalten der Nutzer zulassen, seien sie hinsichtlich Datenschutz kritisch. Hier sah auch Dimitrios Gyalistras das Problem. Er ging gar soweit, die Digitalisierung als anrollenden Tsunami zu bezeichnen, der kaum noch zu beherrschen sei.
Digitalisierung = Tsunami?
Das rief Michel Bohren auf den Plan. Die Digitalisierung könne durchaus gestaltet werden, was bei einem Tsunami ja nicht der Fall sei. Pfromm wies indessen darauf hin, dass es gerade beim Datenschutz an politischem Gestaltungswillen fehle. Im Parlament jedenfalls werde der Diskurs bei weitem nicht mit der erforderlichen Intensität geführt.
Tesseling stellt fest, dass selbst seine Studierenden langsam Angst vor zentraler Datensammlung bekommen. Das sei insofern ein gutes Zeichen, als diese Generation bisher ja als eher leichtsinnig im Umgang mit Daten gilt. Auch die Industrie lenke langsam ein und verlagere die Datenverarbeitung von den Grossen Cloud-Rechenzentren wieder zurück in die Geräte.
Aus Sicht des Bauunternehmens, wandte Jürgen Schade ein, stelle sich die Frage nach Privatheit eigentlich gar nicht. Hier gehe es im Wesentlichen um technische Daten zu Baumaterialien oder zur Gebäudetechnik. Schon diese Daten können einen grossen Nutzen generieren, wenn sie in geeigneten Modellen gehalten und bewirtschaftet werden. Deshalb achte sein Unternehmen darauf, dass seine Kundschaft Gebäude mit BIM bestelle.

Jürgen Schade (li.) und Michel Bohren
Was passiert mit Daten aus dem Betrieb?
Das digitale Bauen allein sei tatsächlich eher unproblematisch, ergänzte Friederike Pfromm. Sobald aber schon nur der Wärme oder Stromverbrauch des Gebäudes erfasst und zentral ausgewertet werde, fangen die Probleme an. Aus diesen Daten lassen sich bereits schon recht scharfe Nutzerprofile gewinnen.
Eine grosse Chance für die Digitalisierung sieht Thesseling in der Partizipation im Planungs- und Bauprozess. Die durchgehende Digitalisierung dürfte hier das interdisziplinäre Arbeiten deutlich erleichtern, was sicher der Qualität zugutekomme. Das liess auch Dimitrios Gyalistras gelten – die Digitalisierung erleichtere ja auch die Integration von Systemen. Die Kehrseite aber sei, dass sie Begehrlichkeiten weckt. Denkbar wäre etwa, dass Versicherungen Rabatte auf für Nutzer gewähren, die bereit seien, bei sich zu Hause Infrarotsensoren zur Brandprävention zu installieren. Das sei vom Gedanken der Sicherheit durchaus sinnvoll, liefere aber zwangsläufig auch sensitive Daten über die Nutzer. Auf den Einwurf, die Nutzer könnten ja selbst entscheiden, ob ihnen Privatheit oder Geld wichtiger sei, entgegnete Gyalistras: „Wie soll die Grossmutter entscheiden, ob ein Infrarotsensor in ihrer Umgebung ein Problem sein könnte?“ Hier sei der Gesetzgeber gefordert.
Zum Beispiel Bauteil-Recycling und bessere Raumauslastung
Aus dem Publikum kam die Bitte, noch etwas konkretere Beispiele zu nennen, wie die Digitalisierung die Nachhaltigkeit fördern könne. Von Bohren kam der Gedanke, mit BIM-Daten eine Internetplattform zu bauen, die zeigt, welche Bauteile in Rückzubauenden Gebäuden stecken. Das würde die Wiederverwertung von Baumaterialien fördern.
Friederike Pfromm sieht Potenzial darin, die Auslastung von öffentlichen Gebäudenutzung zu verbessern. Dies erlaube es vielleicht wegzukommen vom Bau immer mehr spezialisierter Gebäude, die die meiste Zeit leer stünden. Vielleicht könne man am Ende gar weniger bauen. Das würde insofern helfen als das nachhaltigste Gebäude ja das sei, das gar nicht gebaut werde.
Thesseling sieht Potenzial darin, die Wärmeerzeuger mit Wetterdaten vorausschauend zu steuern. Damit liesse sich im Vergleich zur üblichen Regelung mit Aussen- und Innensensoren nicht nur Energie sparen, sondern auch der Komfort verbessern.
Eine Besucherin fragte, ob man eigentlich schon wisse, ob sich angesichts der rohstoff- und energieintensiven Herstellung von digitalen Komponenten überhaupt mehr Nachhaltigkeit gewinnen lasse. Man wisse heute, dass die Digitalisierung, wenn sie richtig betrieben wird, durchaus ökologische Vorteile bieten könne, antwortete Dimitrios Gyalistras. Ob die aber auch die gesellschaftlichen Risiken aufwiegen, sei hingegen nicht klar. Das liege vor allem daran, dass heute nicht klar sei, wem die Daten gehören, ergänzte Friederike Pfromm. Das sei eine grosse Hypothek, die wir den kommenden Generationen hinterlassen.

Frank Thesseling (li.), Friederike Pfromm (mi.), Jürgen Schade und Michel Bohren (re.)
Fazit
Mit Blick auf die drei Säulen der Nachhaltigkeit lässt sich das Podiumsgespräch etwa so zusammenfassen: Umwelt und Wirtschaft könnten durch die Digitalisierung gewinnen. Bei der Gesellschaft hingegen ist das zurzeit zumindest für die Betriebsphase weniger klar. Hier brauchte es zuerst eine gesellschaftliche und politische Diskussion, was die Nutzung der anfallenden Daten und den Schutz der Privatsphäre betrifft.